Es sind mal wieder die üblichen Verdächtigen. Laut einer Umfrage von Statista sind die Top 3 der guten Vorsätze für das Jahr 2022 „mehr Sport treiben“, „sich gesünder ernähren“ und – oh Wunder, wer hätte das gedacht – „abnehmen“ (Ironie off). Falls du unsicher bist, ob die dich nicht doch anschließen sollst, nur noch dieses eine Mal, dann habe ich jetzt ein klares Nein für dich. Du brauchst weder eine 30 Tage zuckerfrei Challenge, noch eine Saftkur, einen Detox und ganz sicher keine neue Diät.

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Gute Vorsätze entstehen häufig aus einem Selbstoptimierungsgedanken

Ich bin nicht per se gegen gute Vorsätze. Ziele zu haben, neue Dinge auszuprobieren, neugierig auf das Leben zugehen, all das bringt uns weiter. Viel zu oft entstehen sie aber aus einem Optimierungsgedanken heraus, der relativ wenig mit unseren Bedürfnissen zu tun hat. Das ist meine persönliche Erklärung, warum wir mit den hochmotiviert in den Januar starten, im Februar mit den guten Vorsätzen kämpfen und sie spätestens im März aufgegeben haben. Gute Vorsätze sind häufig nicht realistisch. Kleine Erinnerung: 95-98% der Diäten scheitern und das ist noch großzügig geschätzt, wenn man sich mal das Studiendesign anschaut. Es werden beispielsweise nur die Teilnehmenden überhaupt ausgewertet, die in der Studie bleiben und das sind bei Abnehmstudien nur etwa 50%. Die andere Hälfte, die die Studie frühzeitig, häufig in den ersten Wochen, abbricht, weil die Intervention nicht das gewünschte Ergebnis zeigt (sprich eine Gewichtsabnahme), die fallen einfach unter den Tisch und werden nie wieder erwähnt.

Warum ausgerechnet gute Vorsätze an Neujahr?

Gute Vorsätze sind häufig auch nicht wirklich alltagstauglich, das ist das Problem Nr. 2 mit ihnen. Viele Menschen nehmen sich an Silvester vor, im neuen Jahr gesünder, nachhaltiger und bewusster zu leben. Das geht im Alltag häufig unter, aber die Tage zwischen den Jahren nutzen viele Menschen, um das Jahr Revue passieren zu lassen und zu reflektieren, was eher gut und eher schlecht lief. Der Jahreswechsel stellt eine Zäsur unserer Zeitstruktur dar und was ist besser geeignet als einen solchen Haltepunkt zu nutzen, um das eigene Verhalten durch Vorsätze in günstige Bahnen zu lenken? Dieses Jahr noch viel mehr als sonst. Wir stecken seit zwei Jahren in einer Pandemie und das nächste Jahr ist alles andere als planbar. Vor uns liegt eine ungewisse Zukunft, die besetzt ist mit Ängsten und mit Hoffnungen und irgendwie gehört es zum Jahreswechsel doch auch einfach dazu, gute Pläne zu schmieden, oder?

Menschen wollen eigentlich keine Veränderung

Das dritte Problem mit den Neujahrsvorsätzen ist, dass sie meist liebgewonnenen oder uns (vermeintlich) dienlichen Verhaltensweisen entgegenstehen. Ich bin ein großer Fan der systemischen Haltung, die unter anderem sagt, dass jedes Verhalten einen Sinn hat und einem bestimmten Zweck dient. Auch wenn das manchmal nicht so scheint und uns bestimmte Verhaltensweisen gefühlt von unserem Ziel wegführen, sind sie aus einem bestimmten Grund da. Vielleicht sind sie ein Schutzmechanismus, haben sie uns in der Vergangenheit gedient oder geben uns Sicherheit. Eine Veränderung ist daher erst einmal eine Bedrohung, da wir als lebende Systeme dazu neigen, stabil bleiben zu wollen und bewährte Muster zu wiederholen. Eine echte Motivation, um eine Veränderung herbeizuführen – sofern sie wirklich realistisch und alltagstauglich ist – ist, den Zielzustand attraktiver sein zu lassen als es der Status Quo ist. Was bedeutet das genau?

Veränderungsprozesse können Widerstände hervorrufen, die sich beispielsweise äußern in Aussagen oder Gedanken wie:

  • Ich will das nicht!
  • Ich kann das nicht!
  • Ich verstehe das nicht!
  • Ich kann das nicht!
  • Ich darf das nicht!
  • Das geht mir zu schnell!
  • Das überfordert mich!
  • Das funktioniert einfach nicht!
  • Ich habe Angst!

Widerstand ist der Wunsch mit den eigenen Bedürfnissen gesehen, anerkannt und gewertschätzt zu werden. Wenn du dir also ein Ziel setzt oder einen guten Vorsatz formulierst und Gedanken wie die obigen hast, dann nimm das als einen wertvollen Hinweis, dass du etwas Grundlegendes nicht bedacht hast. Zeig Verständnis für dich selbst und erkenne an, dass es hier noch etwas gibt, das beachtet werden will und dann schau, was dahintersteckt. Beispielsweise kannst du dich fragen, ob du deinen Einwand als Wunsch formulieren kannst oder überlege, was sein müsste, damit der Einwand nicht mehr greift („besser wäre, wenn …“).

Wenn du gute Vorsätze formulieren willst

Es ist Typ-Sache, ob du gerne mit guten Vorsätzen ins neue Jahr starten willst oder ob du dir möglicherweise zum ersten Mal in deinem Erwachsenenleben den Druck komplett raus und nichts vornehmen willst. Natürlich habe ich auch Ziele und Wünsche für das nächste Jahr. Die sind längst in meinem Kopf oder auf dem Papier festgehalten. Ich weiß aber auch, dass es für mich nicht funktioniert (und noch nie funktioniert hat), wenn ich schlagartig alte Gewohnheiten ändere und mich aus dem Nichts heraus völlig neu erfinden will.

Ja, gute Vorsätze zu formulieren und der Glaube daran, etwas zu verändern und das Unmögliche möglich zu machen, belohnt unser Gehirn mit Glücksgefühlen und steigert unser Wohlbefinden. Die Veränderung fühlt sich aber erst mal nur im Kopf gut an, in der Wirklichkeit ist sie beängstigend, da sie per Definition unsere Stabilität gefährdet. Und wenn die Vorsätze dann scheitern, ist der Fall umso tiefer. Ich starte daher das dritte Jahr in Folge nicht mit Neujahrsvorsätzen und das ist so befreiend für mich. Falls du dir dennoch für das nächste Jahr gute Vorsätze formulieren willst, dann

  1. nimm dir nur Dinge vor, die dir wirklich wichtig sind (und nicht von außen auferlegt)
  2. nimm dir nur nicht zu viel vor (es reichen ein oder zwei kleinere Dinge, deren Umsetzung du für realistisch hältst)
  3. zerlege die Vorsätze in kleine Häppchen und Teilziele (sodass du schnell Erfolge siehst)
  4. kalkuliere von Vorneherein Rückschläge ein (und überlege dir schon im Vorfeld Strategien, wie du diese mit einem liebevollen Blick auf dich selbst angehen willst)
  5. lass dir Zeit bei der Umsetzung und achte auf deine Bedürfnisse.

Und was, wenn du den "guten" Vorsatz Abnehmen einfach nicht loslassen kannst?

Ich kann dich nicht davon abhalten, mit einer weiteren Diät ins neue Jahr zu starten und würde dich nie dafür verurteilen, wenn du es tust. Ich bin Anti-Diät, nicht Anti-Menschen! Bevor du aber eine endgültige Entscheidung triffst, bitte ich dich um zwei Dinge:

1. Hör dir die aktuelle Podcast-Episode "Neues Jahr, neues ich?" an

2. Schau dir meine Keynote "Sind Diäten das neue Rauchen?" auf YouTube an

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Ich bin über 20 Jahre mit dem „guten“ Vorsatz Abzunehmen ins neue Jahr gestartet und bin überhaupt nicht auf den Gedanken gekommen, dass das nicht so sein muss. Dass mein Gewicht oder mein Aussehen nicht meinen Wert bestimmt. Dass ich keine Selbstoptimierung brauche, sondern schon großartig bin, wie ich bin. Und dass ich auch unabhängig von meinem Gewicht meine Gesundheit fördern kann. Ich wünschte, ich hätte vor 20 Jahren das gewusst, was ich heute weiß, dann hätte ich die Wahl gehabt, ob ich mit einer Diät ins neue Jahr starten will. Jetzt habe ich sie und sage bewusst „nein“ zu Diäten und „ja“ zu mir selbst.

In diesem Sinne wünsche ich dir einen guten Rutsch ins neue Jahr!

Herzlichst,
deine Antonie

PS: Wenn du dir eine Alternative zu Diäten wünschst und beispielsweise lernen möchtest, wie du gute Vorsätze aus einem Selbstfürsorgegedanken heraus formulieren kannst, dann werde Mitglied im Iss doch, was du willst! Club. Der Iss doch, was du willst! Club ist ein monatlicher Mitgliedsbereich, der dich bei deiner Reise zu mehr Essensfreiheit und Körperfrieden unterstützt. Ich freue mich, wenn du Teil dieser liebevollen, starken und mutigen Community wirst!

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